Neujahr im Iran

28März2017

Hallo Leute,

wie bereits angekündigt befinden sich die Iraner derzeit mittendrin in den Feierlichkeiten zu Nouruz, dem Neujahrsfest und wichtigstem iranischen Feiertag. Im folgenden möchte ich euch etwas über die Herkunft und Bedeutung erklären und natürlich, wie ich diese Feiertage verbracht habe.

Nouruz (Deutsch: neuer Tag) ist das iranische Neujahrsfest. Dieses wird jedoch keinesfalls nur von Iranern gefeiert, sondern etwa von etwa 300 Millionen Menschen, wobei für andere Kulturräume dieses Fest eher eine Bedeutung als Frühlingsfest hat, wobei im Iran sowohl das neue Jahr als auch der Frühlingsbeginn eingeläutet wird. Im iranischen Kalender fällt dieser Tag immer auf den 1. Farvadin, was etwa dem 19./20./21. März entspricht. Der Ursprung dieses Datums ist die Frühlings-Tagundnachtgleiche und wurde von den Achämeniden auf diesen Zeitpunkt festgelegt. Vorher leitete die Sommersonnnenwende das neue Jahr ein. Heute wie damals wird der exakte Zeitpunkt jährlich berechnet und vom iranischen Staat festgelegt.

Ab diesem Tag haben die meisten Iraner 13 Tage frei (ich hab in der Uni sogar 20 Tage frei) und nutzen diese Zeit, um ihre Verwandten in den veschiedensten Teilen des Iran zu besuchen. Das gegenseitige Besuchen ist ein fester Bestandteil des Festes und wird meistens in einer absteigenden Rangfolge vollzogen. In den ersten Tagen besucht man die Großeltern/Eltern, danach trifft man sich in den Häusern/Wohnungen der Onkel und Tanten und dann kommt die weitere Verwandschaft.

Ein wichter Bestandteil von Nouruz ist die Tradition, einen Haft-e Sin Tisch aufzustellen. Dies ist ein mit sieben Dingen angerichter Tisch, die im persischen mit dem Buchstaben Sin anfangen.

Dabei handelt es sich um die folgenden Dinge, die natürlich auch alle eine Bedeutung haben:

Sabzi (Grünes, z.B. Weizensprossen) steht für Munterkeit
Samanak (Weizen, der vermälzt wird) steht für Wohltat und Segen
Sir (Knoblauch) steht für Schutz
Sendsched (Mehlbeere) steht für die Saat des Lebens
Serkeh (Essig) steht für Fröhlichkeit
Somagh (Sumach, ein Gewürz u.A. für Kebab) steht für den Geschmack des Lebens
Sib (Apfel) steht für die Gesundheit

Im Laufe der Jahre haben sich weitere Dinge auf den Tisch gesellt, die üblichsten sind

Sekeh (Münze) steht für den Wohlstand
Ayineh (Spiegel) steht für Reinheit und Ehrlichkeit
Scham’ (Kerze) steht für das Feuer
Tochm-e morgh-e rangi (Gefärbte Eier, ähnlich unseren Ostereiern) stehen für die Anzahl der Familienmitglieder (Vier Eier = vier Familienmitglieder)
Ketāb (Buch) steht für die Weisheit, meistens wird der Diwan von Hafiz oder das Schahname ausgelegt, aber auch je nach Glaubensrichtung die jeweiligen heiligen Schriften
Mahi ghermez (Goldfisch) im Wasser symbolisiert Glücklichkeit

Letzteres stößt jedoch bei einigen Iranern zunehmend auf Widerstand. Jährlich gehen Millionen Goldfische, welche in speziellen Farmen unter fragwürdigen Bedingungen gezüchtet werden, über den Ladentisch. Die Fische, die es auf einen Haft Sin Tisch schaffen, haben dort bei entsprechender Pflege ein mehr oder weniger erfülltes Leben und werden, sofern sich ein Gewässer in der Nähe befindet, am Ende des Nouruz-Festes in die Freiheit entlassen. Schlechter sieht es jedoch für Millionen von Fischen aus, die es nicht über die Ladentheke schaffen. Diese fristen in engen Aquarien zu hunderten ihr Dasein bis sie zum Ende des Festes ebenfalls ausgesetzt werden, oder aber vorher bereits verenden. Einige Iraner haben sich jedoch eine Alternative ausgedacht, und so platzieren sie anstelle eines Fisches eine Bitterorange. So auch der Präsident Rouhani, welcher ein entsprechendes Foto zum letztjährigen Nouruz auf Twitter veröffentlichte und unter Iranern allerhand Spekulationen verursachte … bei den vielen Haft Sin Tischen, die ich jedoch hier gesehen habe, konnte ich bei keinem einzigen diesen Alternativvorschlag beobachten. Daher ist es noch eine kleine Minderheit, die dagegen kämpft.

Rouhani und die Bitterorange (Quelle: www.bbc.com/news/blogs-news-from-elsewhere-35861954)

Doch bevor Nouruz losgeht, gibt es noch den Chahar shanbe suriyeh. Den habe ich ja beim letzten Mal schon kurz angesprochen. Dieser geht auf eine alte zaratustrische Tradition zurück. An diesem letzten Dienstag vor dem neuen Jahr werden Feuer angezündet, über die drübergesprungen wird. Damit möchte man symbolisch alles Schlechte vor dem neuen Jahr vom Feuer reinigen lassen und gestärkt und fröhlich ins neue Jahr starten. Es ist ein sehr heiterer Brauch, verbunden mit Tanz und Gesang. Nur logisch, dass dieser Brauch bei dem Regime auf wenig Freude trifft, und so im Fernsehen gedroht wurde, Leute, die bei diesem Brauch erwischt werden, für die Dauer von Nouruz einzusperren. Meiner Beobachtung zugrunde liefen diese Drohungen jedoch ins Leere, da manche Leute keineswegs darauf achteten, ihre Feuer im Versteckten zu entzünden, sondern diese außerhalb von Isfahan teilweise mitten an der Autobahn entzündeten und sichtbar gut gelaunt über’s Feuer hüpften.

Beendet wird das das Neujahrsfest vom sizdah bedar. Der letzte Tag des Neujahrsfest ist der Tag der Natur und wird dazu genutzt, Verbundenheit mit der Natur zu zeigen. Dazu füllen sich die vielen Parks und man picknickt gemeinsam oder aber man fährt aus der Stadt raus und verbringt die Zeit in der Natur.

Soviel erstmal zu Nouruz. Doch wie habe ich die letzten zwei Wochen verbracht?

wie bereits geschrieben war ich beim Chahar Shanve suriyeh auf zwei Parties eingeladen, die recht unterschiedlich voneinander waren. Eine war als kleine, familiäre Gartenparty angekündigt, die andere als 500 Leute Party mit DJ, lauter Musik und Alkohol. Der politischen Brisanz dieses Brauchen (wie oben beschrieben) bewusst, entschied ich mich für die kleinere Party. Also fuhren wir mit einem iranischen Freund ein paar Kilometer außerhalb von Isfahan, beziehungsweise rollten. Den die Straßen waren selbstverständlich an ihren Limits, da wir nicht die einzigen waren, die Idee hatten, den Abend außerhalb von Isfahan zu feiern. Somit standen wir fast 1,5 Stunden im Stau ehe wir unser Ziel erreichten. Endlich am Ziel angekommen, erwarteten uns die Familie und Freunde eines Freundes, mit denen wir zusammen tanzten, aßen und alkoholfrei tranken und selbstverständlich etliche Male über’s Feuer sprungen. Leider war das ganze durch unser Zuspätkommen für uns schon wieder nach anderthalb Stunden vorbei, und so war die Nacht angebrochen und ich hätte eigentlich gerne noch weiter gefeiert, aber leider wusste ich nicht wo die andere Party war, sondern wusste nur das sie sehr weit außerhalb Isfahans stattfindet….

Am 18. März war ich zu meiner ersten iranischen Hochzeit eingeladen. Grund genug, mir in einem der unzähligen hiesigen Herrenausstatter einen Anzug zur Feier des Anlasses zu kaufen  (womit sämtliche Ersparnisse, die ich über die letzten Monate angesammelt habe, aufgebraucht waren). Die Hochzeit selbst war sehr interessant, weil komplett unterschiedlich von dem, was man von deutschen Hochzeiten gewohnt ist. Der größte Unterschied war wohl die Geschlechtertrennung. Weil der Veranstaltungsort in einer irgendwie gearteten Weise mit den Revolutionsgarden zusammenhing, durften Männer und Frauen nicht zusammenfeiern. Das bedeutete jedoch keinenfalls eine Diskriminierung der Frauen, denn diese hatten definitiv das bessere Los gezogen. Denn während die Frauen im Saal feierten und ausreichend Platz zum Tanzen hatten (der laut Erzählungen auch genutzt wurde) herrschte bei den Männern, die auf einer Art Empore, abgeschirmt von Vorhängen saßen, eher eine Stimmung wie auf einer Beerdigung als einer Hochzeit. Mit der guten Stimmung bei den Frauen im Gehör saß man an den Tischen, aß das Obst welches als Snack bereitstand und unterhielt sich. Zweimal kam der Bräutigam vorbei und jeder schüttelte die Hand und sprach Glückwüsche aus, danach setzte man sich und redete weiter. Auch mein Freund, der Bruder der Braut, war ein wenig enttäuscht von der Stimmung und meinte, dass mit alten Männern halt keine Party zu machen sei. Der Bräutigam hatte übrigens als einziger Mann das Recht, mit den anderen Frauen zu feiern. Auch der Veranstaltungszeitraum war etwas eigentwillig (für deutsche Verhältnisse, weniger für iranische) Die Hochzeit war von 19.00 Uhr bis 22.00 Uhr angesetzt. Jedoch sollte man auf keinen Fall vor 20.00 Uhr kommen, da so zeitig ehhh noch niemand da sei. Also erreichten wir mit einer eineinviertelstündigen Verspätung die Hochzeit, und wir zählten noch zu den ersten Gästen. Bis um neun, also eine Stunde vor offiziellem Schluss, hatte man das Gefühl dass die Party erst in der Anfangsphase ist, was durch nach und nach eintrudelnde Gäste verstärkt wurde. Zwischen neun und zehn gab es dann zweimal das besagte Meet & Greet mit dem Bräutigam, und um zehn gab es ein sehr leckeres Abendbrot. Es wurde reichlich Kebab gereicht, und so kam es dass ich ohne Hemmungen sechs Fleischspieße in mich hineinstopfte, was im Nachhinein ohne einen Kräuterschnaps zur Beruhigung des Mages zu einem sehr unschönem Füllegefühl geführt hat. Ein wenig verunsichert, wie ich in so einem Zustand noch in der Lage zum Tanzen sein sollte, stellte sich die Verunsicherung als unbegründet heraus, da die Party nach dem Essen offiziell beendet wurde und die ersten Gäste bereits nach Hause gingen. Sobald alle Frauen wieder ihr Kopftuch aufhatten, durften dann auch die Männer zu den Frauen und man konnte Fotos mit dem Brautpaar machen. Für uns kam jedoch noch ein Highlight des Abends und das stellte ebenfalls als in Deutschland unmöglich vor. Die Familie begleitete das Brautpaar nämlich mit Auto zu deren Wohnung, und das passierte auf einer sehr iranischer Art. Das Brautpaar wurde mittles riskanter Fahrweise verfolgt, links- und rechtsseitig überholt, angehupt und auf einer weniger stark befahrenen Straße blockiert, angehalten und umtanzt. Eine sehr lustige Erfahrung!

die deutschen Ehrengäste (Im Hintergrund ist die zugehangene Empore zu sehen, hinter der die Männer gesessen haben

Vom 20-25. März bin ich schließlich zum ersten Mal in meinen mittlerweile nun fast sechs Monaten nach Teheran, in die Hauptstadt des Irans gefahren. Zugegebenermaßen habe ich mich in der Vergangenheit immer ein wenig davor gewehrt, da mich so ziemlich nur schlechte Eigenschaften von Teheran genannt wurden, meistens jedoch immer mit dem Zusatz: „Wenn schon nach Teheran, dann zu Nouruz, denn dann ist die Stadt wie ausgestorben“. Also packte ich die Möglichkeit beim Schopf und machte mich für vier Tage auf nach Teheran. Dort erkundete ich die Stadt mit zwei deutschen Mädels aus dem Sprachkurs und tatsächlich, ich war von der Stadt positiv überrascht. Bis auf eine nicht so schöne Situation im Bus stellte sich Teheran als sehr angenehm heraus. Die Luft war die ganzen Tage sehr sauber, man hatte wunderbare Sicht, die Straßen waren vergleichsmäßig leer und auch die U-Bahn war kein einziges Mal überfüllt.

die schneebedeckten Berge und blauer Himmel - selten in Teheran zu sehen ... leider aus dem Bus heraus, aber trotzdem gut zu sehen: der Damavand, mit 5610 Metern der höchste Berg des Iran und ruhender Vulkan

Die negative Seite war jedoch auch, dass viele Dinge geschlossen waren. So waren die ersten Tage sowohl die bekannteren Museen und Paläste geschlossen als auch der große Bazar, der an sämtlichen Tagen, die ich in Teheran verbracht habe, geschlossen war. Somit schauten wir uns ein paar Dinge an, die von Öffnungszeiten unabhängig waren, so unteranderem den Stadtteil Darband. Dieser liegt im Norden Teherans auf 1700 Metern Höhe. Man geht dort entlang eines Baches mit steter Steigung am Berg empor und hat bei unzähligen Cafe’s und Restaurants die Möglichkeit, sich zu stärken und auszuruhen. Wir selbst entschieden uns für ein Restaurant, bei dem man auf den typisch iranischen, traditionellen Pritschen mitten im  Fluss sitzen und essen konnte.

Darband Dizi, ein persisches Gericht, was man vor dem Genießen noch selbst zerstoßen muss auf den Pritschen, in der Bildmitte zu sehen, haben wir gesessen


Im Anschluss fuhren wir zum Mellat Fernsehturm, dem mit 435 Metern sechsthöchsten Fernsehturm der Welt. Von dort bot sich uns (durch die sehr saubere Luft) ein fantastischer Blick auf das abendliche Teheran.

der Mellat-Fernsehturm  

Den nächsten Tag nutzen wir für einen Tagestrip nach Qazvin. Dabei handelt es sich um eine ehemalige sassanidische Hauptstadt, etwa 2 Stunden von Teheran entfernt. Nachdem wir einen sehr dreisten Taxifahrer nach Bussen fragten und dieser uns eine Fahrt für 100€ anbot, lehnten wir nach ein paar Missverständnissen belustigt ab und fanden schließlich den Bus, für einen Preis von 2€. Die Dreistigkeit des Taxifahrers beschäftigte uns jedoch noch eine Weile, da es hier völlig normal ist, dass man als Ausländer mehr für ein Taxi zahlt als es jemand einheimisches machen würde. Aber dass ohne mit der Wimper zu zucken das vierfache des normalen Preises genannt wird, war eine neue Qualität. Auch der Taxifahrer, der uns zum Fernsehturm gefahren hatte, nutzte das Mittel der Lüge, um für sich mehr herauszuholen. Als wir einem Taxifahrer nach unserer Turmbesichtigung davon erzählten, nutzte er das für einen Rundumschlag gegen den Iran und die Iraner. In seinen Augen waren das Land und die Leute seit der islamischen Revolution kaputt, was sich seiner Meinung darin zeigte, dass in einem islamischen Land Leute angelügt werden, wo doch die Lüge als eine der schlimmesten Sünden im Islam zählt. Das nutze er dann um zu erklären, dass er mit dem Islam schon lange nichts mehr am Hut hätte und, was uns dann doch sehr überraschte, auf die Rückkehr des Schahs wartete, bzw. auf den ältesten Sohn vom letzten Schah Mohammad Reza Pahlavi. Und so zeigte er uns Bilder von der Schahfamilie, erklärtete wer wer ist und nutze das darauffolgende Bild eines Mullahs um symbolisch draufzuspucken. Das war also die andere Seite…

Aber zurück zu Qazvin … dort besichtigen wir eine Sehenswürdigkeiten, unteranderem den Chehel Sotoon Palast (den es auch in Isfahan gibt, nur in größer) sowie die Jamee-Moschee, die zu den ältesten im Iran zählen soll. Leider wurde unsere Zeit durch ungemütllichen Regen gestört, und nach einem wärmenden Tee fuhren wir vorzeitig nach Teheran zurück.

    man merkte der Moschee ihr Alter an ... die Hauptkuppel hatte bedrohliche Risse und musste entsprechend abgestützt werden Kuppel in der Jamee Moschee eig. wurde überall an der Moschee gebaut ... oder es standen zumindest Gerüste da... und noch eine Kuppel

Leider ist in den nächsten Tagen auch der Regen nach Teheran gekommen, weshalb das Vorhaben, den Golestanpalast zu besuchen, kurzerhand gestrichen wurde und anstelle dessen zahlreiche Tee und Cappuchinos in diversen Cafés zu Preisen, die man so nicht mal in Europa findet, genossen wurden. Eigentlich hatte ich überlegt, noch ein paar Tage länger zu bleiben. Jedoch entschloss ich mich,  kurzerhand wieder ins 10° wärmere Isfahan zurückzukehren. Hier verbringe ich seitdem meine  freien Tage. So habe ich ein paar Freunde getroffen und Leuten, die ich in Teheran im Hostel kennengelernte, die Stadt gezeigt...

PS. Bilder zu einigen Events, insbesondere Nouruz, habe ich nicht mit meiner eigenen Kamera gemacht. Sobald ich die Bilder kriege, werde ich sie hier nachreichen.