Tagestrip nach Abyāneh und Ardestan

04Nov2016

Hallo Leute,

wie angekündigt haben wir gestern zu viert einen Tagesausflug nach Abyāneh und Ardestan gemacht. Da wir hier nicht über ein eigenes Auto verfügen, waren wir auf ein Taxi oder einen Mietwagen angewiesen. Da Mietwagenstationen trotz der steigenden Anzahl von Touristen eher Raritäten sind, entschieden wir uns dazu, die Strecke per gemietetem Taxi zurückzulegen. Das International Office half uns dabei, einen Fahrer zu organisieren und nach langen Preisverhandlungen hatten wir uns auf eine feste Kilometerpauschale + Pausenpauschale geeinigt. Endlich ging es gestern um 7.30 Uhr früh los. Ich war insofern ziemlich gespannt und voller Vorfreude, da es das erste mal seit zweieinhalb Wochen war, dass ich aus Isfahan rausgekommen bin. Nicht dass ich mich an der Stadt sattgesehen habe, aber es tat trotzdem mal gut stadtauswärts zu fahren. Für diesen Trip hatten wir drei Stationen angepeilt. Abeyaneh im Karkas-Gebirge, Natanz und Ardestan.

Schon die Fahrt war ein reines Abenteuer. Hamid, unser Fahrer und Begleiter, war ein sehr netter und lustiger Herr, für den Schilder mit Geschwindigkeitsbegrenzungen jedoch nur eine hübsche Deko am Straßenrand waren und die Lichthupe ein legitimes und notwendiges Mittel um die vorausfahrenden Fahrzeuge mal mehr, mal weniger freundlich zum Verlassen der linken Spur aufzufordern (Über seinen Einsatz der Hupe mag ich gar keine Einschätzung abgeben, da es mir trotz intensiver Beobachtung und aufmerksamen Studiums seines Hup-Verhaltens nicht gelungen ist, irgendein Muster zu erkennen). Nachdem wir aus der Stadt rauswaren, nahm er Rücksicht auf  unsere Routenwünsche, da wir explizit nicht über die neue Autobahn wollten sondern eine alte Straße parallel dazu fahren wollten (was für ihn natürlich auch Sinn machte, da die Strecke kilometertechnisch ein wenig länger war). So ging es mit 130 Km/H bei erlaubten 95 auf einer Straße, welche ihre besten Tage an mancher Stelle schon vor langer Zeit hinter sich hatte, munter durchs Land. Die Strecke hatte sich jedoch gelohnt, da es eine unglaublich schöne Landschaft ist und am Straßenrand allerhand alte Gebäude und Ruinen zu sehen waren. Das Problem mit den Ruinen hier ist nur, dass man nie weiß wie alt sie eigentlich sind. Ist es „nur“ ein Haus aus dem letzten Jahrhundert oder stammt es etwa aus der gleichen Zeit wie die zahlreichen Karawansereien (Herbergen an Karawanenstraßen, die dazu dienten, Reisenden eine sichere Unterkunft zu bieten und zu versorgen), die es hier zu sehen gibt? Anhand des Baustils lässt es sich leider nicht erkennen. 

Herbstliche Stimmung auf dem Weg nach Abyāneh

So erreichten wir also nach 2,5 Stunden abenteuerlichster Fahrt unser erstes Ziel: Abyāneh. Dabei handelt es sich um ein kleines Dorf mit ca. 300 Einwohnern, welches auch als das rote Dorf bekannt ist. Es liegt im Karkas-Gebirge auf ca 2200 Metern Höhe und besitzt zahlreiche schmale und steile Gassen, die zum Entdecken einladen. Die Häuser des Dorfes sind stufenformig am Hang gebaut und bestehen aus einem Fachwerkmix aus Holz, Lehmziegeln und Stroh, wie man es hier öfters sieht. Besonders ist an dem Dorf auch, dass die Frauen hier keineswegs schwarze Tschadors tragen, sondern einen eigenen Kleidungsstil pflegen, der sich trotz Änderungsversuchen halten konnte. Die Frauen tragen hier ein langes, weißes Tuch, was mit Blumenmustern, meistens Rosen verziert ist. Es bedeckt den Kopf und die Schulter, dazu einen Teil des Oberkörpers. Dazu tragen sie einen langen, bunten Rock und ein ebenso buntes Oberteil. Besonders ist außerdem, dass einige Menschen hier noch einen alten, mittelpersischen Dialekt sprechen.

noch mehr Herbststimmung...


Nach anderthalb Stunden hieß es für uns Weiterfahren, da wir noch andere Stationen hatten. Es gab jedoch noch allerhand, was wir nicht gesehen haben. Daher werde ich mir den Ort bestimmt nochmal etwas länger ansehen. Als nächstes Stand Natanz auf unserer Liste, was ca 20km Nordöstlich von Abyaneh liegt. Auffällig an dieser Stadt war die doppelspurige Straße, welche durch die Stadt führte. An jeder Straßenlaterne hing dabei ein Porträit eines Menschen, der hier als Martyrer verehrt wird. Die Bilder zeigten allesamt Männer, beziehungsweise männliche Kinder. Aufgrund der Fahrtgeschwindigkeit war es nicht möglich, die Persischen Schriftzüge zu den Bildern zu lesen. Daher war für uns nicht klar, wo und wann sie gestorben sind. Wir vermuteten jedoch dass sie Opfer des Irak-Iranischen Krieges waren.

Erster Programmpunkt war in Natanz ein Mittagessen. Also suchten wir ein Restaurant und wurden ziemlich schnell fündig. Nach einer großen Portion Reis mit Kebab und sehr viel pitaartigen Brot ging es mit Wohlstandswampe weiter. Da sich Natanz jedoch als nicht sonderlich spektakulär herausstellte, machten wir uns vorzeitig auf den Weg nach Ardestan. Auf dem Weg dorthin ging es 50km entlang der Dasht-e Kavir. Dabei handelt es sich um die zweitgrößte Wüste des Irans. Es war ein surrealer Anblick, in das hunderte kilometerweite Nichts zu blicken. In dem Moment nahm ich mir vor, auf jeden Fall mal eine Wüstentour mitzumachen.

Das große Nichts der Dasht-e Kavir

Schließlich erreichten wir Ardestan. Dort schauten wir uns zunächst einen Qanat an. Dabei handelt es sich um ein sehr sehr altes Mittel um Wasser aus den Schwemmfächerzonen der Gebirgen in abgelegene Regionen mit Wassermangel zu bringen. Das Prinzip ist dabei sehr simpel. Es wird ein horizontaler Tunnel mit einem seichten Gefälle von den Bergen zu den Ortschaften gegraben. Daneben gräbt man in unterschiedlichen Abständen vertikale Verbindungen zu diesem unterirdischen Kanal. Einerseits um einen Brunnenzugang zu dieser Wasserquelle zu erhalten, andererseits um den Aushub, der beim Graben entsteht, zu Tage zu fördern. Obwohl heutzutage viele Städte Irans über Wasserleitungen versorgt werden, gibt es noch einige wenige Städte, die ihr Wasser komplett durch dieses System erhalten.

Steile Stufen auf dem Weg zum Qanat

Danach ging es zur Masjed-e Jame. Dabei handelt es sich um eine der ältesten Vier-Iwan-Anlagen des Irans. Sie wurde im 11. und 12. Jahrhundert gebaut. Neben einer klassischen Moschee befand sich in früherer Zeit auf dem Gelände auch Zisternen, eine Karawanserei, ein Bazar, ein Hamam und eine Madrese (religiöse Schule). Besonderheit ist auch, dass sie zwei Etagen umfasst. Nachdem wir dies gesehen haben, besichtigten wir noch eine andere Moschee, von der wir allerdings keine Bilder machen durften.

Der HauptiwanZwei der vier Iwane Die Masjid-e Jame von außen     

Schließlich hieß es „Zurück nach Isfahan“. Eigentlich wollten wir uns noch Naien anschauen, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit haben wir das jedoch verschoben. Also ging es 100 km zurück, die Hamid erstaunlicherweise entspannter anging als auf dem Hinweg. Zumindest bis wir den Stadtverkehr in Isfahan erreichten. Da drehte er komischerweise wieder voll auf. Aber wir sind alle gesund aber erschöpft wieder Zuhause angekommen. Und letztendlich hatt dieser sehr schöne Tagessausflug jeden nicht mehr als 15€ gekostet. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt. Trotzdem werden wir wohl weiter nach einer Autovermietung schauen, da man ohne Fahrer einfach noch unabhängiger ist und mal auch einfach anhalten können wenn wir irgendwas für uns interessantes sehen. Aber trotzdem war es ein durch und durch schöner Tag.

Ja und sonst? Ich habe jetzt endlich, nach laaaaangem Warten meinen Studentenausweis für die Universität Isfahan bekommen. Ich hoffe, dass ich damit jetzt vergünstigt in die kostenplichtigen Touristenattraktionen komme, da man hier in der Regel zwei Tarife hat: einen für Iraner und einen für Ausländer.

Und ansonsten? Ich habe in den letzten Tagen das Gefühl, vermehrt antiamerikanische und antiisraelische Propaganda auf der Straße zu sehen. Ich fragte meine Mitlernenden, ob sie dass den auch so empfinden würden, und sie stimmten mir zu. Also recherchierte ich ein wenig und stieß auf einen möglichen Grund. Denn heute, am 4. November, jährt sich die Besetzung der US-Botschaft in Teheran zum 37. mal. Damals stürmten eine Gruppe Studenten im Verlauf der Islamischen Revolution die Botschaft und nahmen 52 US-Diplomaten für 444 Tage in Geiselhaft. Aus gegebenen Anlass sprach auch Ayatolla Chomeni, der religiöse Führer des Irans, neulich vor Studenten. Was er da so gesagt hat, könnt ihr hier lesen: http://www.n-tv.de/politik/Irans-geistlicher-Fuehrer-attackiert-USA-article18992771.html

Wenn ich in der nächsten Zeit mal in der Stadt sein sollte, werde ich mal versuchen ein paar Poster zu fotografieren, damit ihr einen Eindruck gewinnt.

Soo, das war es für heute. Jetzt muss ich noch meine Hausaufgaben machen!

Viele Grüße