Urlaub in Gorgan

20Nov2016

Hallo Leute,

heute, am 20.11.2016 (laut unserem Kalender) wird Al-Arbaʿīn gefeiert. Dies Fest wird 40 Tage nach Aschura, dem Gedenktfest zum Martyrertag Imam Hussains gefeiert und ist das größte schiitische Gedenkfest. Mehrere Millionen Menschen pilgern dazu ins irakische Kerbela, wo sich der Imam Hussain Schrein befindet. Daher macht es Sinn, dass dieser Tag im mehrheitlich schiitischen Iran ein Feiertag ist. Somit bot sich die Chance eines verlängerten Wochenendes, was ich mir mittels eines selbstgenehmigten, freien Samstag verwirklicht habe. Und diese vier Tage musste man ja nutzen. Daher entschied ich mich, mit Babak und Yu, einem der Japaner nach Gorgan in der Provinz Golestan im Norden Irans zu fahren.

Golestan


Die ganze Idee ist relativ spontan entstanden, daher war es nicht möglich, groß zu planen. Schon das Einigen auf die Art der Anreise war aufgrund verschiedener Vorstellungen, mehr aber aufgrund existierender Sprachbarrieren ein lustiges Unterfangen. Wir waren uns eigentlich einig, dass wir mit dem Zug fahren wollten, da die Strecke Teheran-Gorgan eine der schönsten Bahnstrecken des Iran sein soll. Also fuhren wir zum Bahnhof von Isfahan, den wir Abend um 18.00 Uhr menschenleer vorgefunden habe. Zum Glück stellte sich der einzige, auf dem Parkplatz des Bahnhofs umherwandernde Mensch als Angestellter der Iranischen Bahn heraus, welcher kurzerhand uns in den Bahnhof führte, seinen Schalter wieder öffnete und uns eine Verbindung buchen wollte. Leider hat das nicht geklappt, denn es gab nur Nachtverbindungen. Und da würde man wohl nicht die Schönheit der Bahnstrecke sehen. Wir schlussfolgerten, dass wenn die Verbindung Teheran-Gorgan nachts fährt, die Verbindung Gorgan-Teheran tagsüber fahren muss. Also entschlossen wir uns, mit dem Bus zu fahren und rückzu mit dem Zug. Also ging es mit dem netten Mann vom Schalter und einem Freund von ihm mit dem Auto Sofeh-Busbahnhof, einem der drei Busbahnhöfe Isfahans. Dort buchten wir für 20 Dollar pro Nase einen Platz im VIP Bus.

Und dieses V.I.P. konnte sich sehen lassen. Im Vergleich zu den VIP Bussen in Thailand hatte man hier tatsächlich das Gefühl, in einer anderen Klasse zu reisen. In den VIP Bussen hier gibt es nämlich nur drei Sitze pro Reihe. Und diese sind in einem so großen Abstand, dass man seinen Sitz fast senkrecht zurückkippen konnte, ohne seinen Hintermann zu stören. Mit den Fußlehnen konnte man so sich fast wie in einem Bett fühlen. Und wenn man nicht lag, dann saß man. Und fühlte sich in diesen großen Sitzen wie ein Kleinkind, von dem die Beine noch nicht bis auf den Boden reichen.

Am Bahnhof von Gorgan

Nach 13 Stunden Busfahrt mit mehreren Stops zwischendurch erreichten wir schließlich am Donnerstag Morgen Gorgan. Dort angekommen machten wir uns erstmal auf den Weg zum nahegelegenen Bahnhof um den Rückweg zu klären. Auf dem Weg dahin mussten allerhand Taxifahrer passiert werden, die es nicht verstehen konnten, dass man kein Taxi braucht. Nach 10 Minuten Fußweg am Bahnhof angekommen, wurden wir bevor wir überhaupt richtig da waren, von der Polizei kontrolliert. Nach dem Zeigen unserer Ausweise und dem Ausfüllen eines Stück Papieres (was meines erachtens in keinerlei Weise notwendig gewesen wäre, da es sich in etwa um den gleichen Bogen handelt, den ich bei den Visaanträgen auch ausfüllen musste) konnten wir den kleinen Dienstraum der Polizei verlassen und uns nach einem Zug erkundigen. Leider mussten wir feststellen, dass unsere Idee nicht funktioniert, da der Zug von Gorgan nach Teheran leider auch nachts fährt. Also hieß es wieder überlegen, überlegen, überlegen, und nach einigem Hin und Her entschlossen wir uns, wieder zum Busbahnhof zu marschieren und einen Bus nach Isfahan zu nehmen, der nochmal etwa 20$ kostete.

Dies erledigt, ging es weiter zu einem kleinen Guesthouse, das der Lonely Planet als günstig aber hübsch bezeichnet hat. Leider fanden wir im Internet keinerlei Informationen dazu, weshalb wir nicht sicher waren, ob der veraltete LP noch recht hat. Also ging es wieder vorbei an Taxifahrern, die nicht müde wurden, uns zu fragen ob wir denn nicht ein Taxi wöllten. Dankbar aber bestimmt lehnten wir ab um die etwa 2km zu laufen. Am ungefähren Zielort angekommen, fanden wir nach einigem Fragen unser Guesthouse, und es stellte sich als gute Wahl heraus. Der Preis für 2 Nächte im 3BZ war günstiger als im LP angegeben, und das Flair mit dem Garten war ok, auch wenn mich die Lobby ein wenig an eine Schule erinnernt hat.

Unser Guesthouse Billig und ausreichend...


Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es wieder ins Getümmel der 330.000 Einwohner Stadt, und unser erstes Ziel war ein Restaurant. Dieses Ziel stellte sich jedoch als schwieriger raus, als wir zunächst dachten. Zwar mangelte es nicht an Fastfood-Läden mit dem typischen Angebot, jedoch war ein Restaurant mit iranischen Speisen einfach nicht zu finden. So irrten wir fast eine Stunde durch die Stadt, und wir waren kurz davor, uns dem Fastfood zu ergeben, doch da erblickten wir endlich ein hoffnungsvoll erscheinendes Restaurant. Als unsere Frage, ob es denn auch Reis gäbe, verneint wurde, mussten wir kurz um Fassung ringen. Wir entschieden uns jedoch dazu, trotzdem dieses Restaurant aufzusuchen und wurden mit einem sehr leckeren Kebab und noch leckerem Brot belohnt. Getoppt wurde diese Geschmackserlebnis nur noch vom Preis. Nach einem Essen für 2 Euro war ich noch nie so satt und soo glücklich.

Danach ging es ins Sightseeing über. Wir nahmen ein Taxi und fuhren gleich mal wieder aus der Stadt raus nach Gonbad-e Kavus. Dort wollten wir die einzige Sehenswürdigkeit der Stadt besichtigen, den Grabturm Gonbad-e Qabus. Dieser stammt aus dem Jahr 1006 und ist der älteste erhaltene Ziegelturm seiner Art. Er hat eine zylindische Grundform, von der prismatische Pfeiler hervorstehen. Er ragt 55 Meter in die Höhe und hat einen Außendurchmesser von 14 Meter. Gebaut wurde der Turm auf Veranlassung des Ziyaridenfürstes Šams al-Maʿālī Qābūs ibn Wušmagīr. Leider stellte sich vor Ort heraus, dass es mal wieder mehr Eintritt für Nicht-Iraner als für Iraner kostet. Da leider auch nicht unsere Studentenausweise der Uni Isfahan und kein Verhandeln um den Preis halfen, entschieden wir uns zunächst dagegen, dieses System zu unterstützen. Leider ging mir dann jedoch durch den Kopf, dass ich diesen Weg nicht komplett umsonst gefahren sein wollte, und der Turm von außen und weiter weg zwar ganz nett war, jedoch ich auch gerne sehen wollte, was er denn von Innen so bietet. Also opferte ich mich, bezahlte den Eintritt widerwillig und schaute mir den Turm an. Das Innere des Turm ist ziemlich schmucklos und es gibt lediglich eine Lichtquelle im Dach, durch die Sonnenlicht ins Innere vordringt. Einer Legende nach wurde in diesem Turm der besagte Ibn Wushmgir begraben und sein Sarg an die Decke gehangen, so dass dieser Sarg in dem Lichtkegel der dieser Lichtquelle hing.

Gonbad-e Qabus Im Inneren

Nach dem dieser Teil erledigt war, ging es zurück nach Gorgan. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Hotel gingen wir wieder in die Stadt und schlenderten (zumindest ich, die anderen gingen eher schnellen Schrittes) durch den Basar und an den Schaufenstern vorbei. Allerhand Dinge erblickte ich, die ich gern gekauft hätte, aber ich übte mich in Zurückhaltung. Bis auf ein paar Dinge für’s Frühstück kauften wir nichts.

Basar von Gorgar. Aufgrund des feucht-warmen Klimas im Sommer ist er nicht überdacht

Für Freitag planten wir eine Wanderung zu einem Wasserfall. Also fuhren wir mit Taxi und Minibus nach Khan Benin. Dort trafen wir Ibrahim, einen Iraner, der ebenfalls zu dem Wasserfall wollte. Also schlossen wir uns zusammen, teilten uns nochmal ein Taxi und fuhren bis zum Eingang des Wandergebietes. Dort ankommen hatten wir eine schöne Wanderung zu drei verschiedenen Wasserfällen. Während die ersten beiden noch Wasser führten, ließ beim dritten nur der Moosbewuchs vermuten, wo nur gelegentlich Wasser langfließt. Eine Wasserleitung mitten im Wald lief vermuten, dass das Wasser von relativ oben bereits abgezweigt wird und in Leitungen nach unten fließt. Neben der schönen, herbstlichen und vor allem sauberen, frischen Luft war das Highlight der Wanderung eine riesige Höhle, die wir natürlich nicht unerkundet ließen. Zunächst konnten wir nur ca 50 Meter ins Innere des Felsens vordringen, und entschlossen uns, aufgrund eines Mangels an vernünftiger Lichtquellen den Rückweg anzutreten. Doch in just diesem Moment betrat eine mindest genauso entdeckerfreundliche, jedoch wesentlich besser ausgestattete iranische Wandergruppe die Höhle. Und mit ihren Stirnlampen, Taschenlampen und Handykameralichtern konnte man sehen, dass nach den 50 Metern längst nicht Schluss war. Also schlossen wir uns der Wandergruppe spontan an, und so erkundeten wir durch seichtes Wasser watend und über Steine hüpfend weitere 50 Meter der Höhle. Doch dann wurde unsere Entdeckungstour jäh durch eine tiefere Wasserstelle gestoppt, die trotz probierens der Iraner nicht passiert werden konnte. Steine, die ins Wasser geworfen wurden, ließen vermuten, dass es mindestens einen halben Meter tief war. Wir waren alle ziemlich enttäuscht, da die Lichtkegel der Taschenlampen vermuten ließen, dass sich hinter der engen Wasserstelle ein großer Hohlraum verbirgt. Doch dieser blieb uns leider verborgen, da niemand sich nass machen wollte. Also ging es den Weg zurück und weiter aufwärts.

Viele bunte Blätter der erste Wasserfall iranische Wanderwege I    iranische Wanderwege II der zweite Wasserfall immer den Pfeilen folgen in der Höhle Da wollen wir hin Sicherungsmaßnahmender dritte Wasserfall

Als wir den dritten Wasserfall erreicht hatten, begann es leicht zu regnen, und plötzlich drängte Ibrahim, dass wir uns schnellstens auf den Weg zurück machen sollten. Zunächst verstand ich nicht, warum Regen nach seinen Worten so gefährlich sein sollte. Nicht viel später wurde mir jedoch klar, warum er so einen Druck machte. Denn der Regen wurde immer stärker, und das bedeutete, dass die glatten Steine, die trocken auf dem Weg nach oben kein Problem waren, nass sehr rutschig waren und keinen festen Tritt boten. Und auch die Wege weichten auf, und kahle, schlammige Stellen waren genauso rutschig wie die Steine. Und über iranische Wanderwege habe ich ja schon mal ein paar Worte verloren. Man sieht nie wirklich, wo es langgeht. Man folgt in der Regel der Stelle, die ausgetreten ist. Und mit etwas Glück sieht man ab und zu mal einen Pfeil. Befestigungen zum Festhalten, wenn der Weg nur 40cm breit ist und zur einen Seite eine mehrere Meter tiefe Böschung ist, sind nicht existent. Daher machte der Regen diese Wanderung, die auf dem Weg nach oben noch recht zügig ging und viel Spaß machte, auf dem Weg nach unten ein ziemlich gefährliches Unterfangen, bei dem man bei jedem Schritt prüfen musste, ob Trittsicherheit herrscht, und jede Pflanze, die nicht gerade Dornen hatte, zum Festhalten diente. Ich hatte in dieser Situation sogar noch die besten Voraussetzungen, da ich mich am morgen entschloss, meine Wanderstiefel anzuziehen. Somit hatte ich ein wenig bessere Konditionen als meine Mitwanderer, die allesamt mit Straßenschuhen unterwegs waren. Doch am Ende war alles gut, und wir erreichten nach einer Stunde und einigen Verwirrungen bezüglich der Richtung des Weges, das sichere Ziel. Während wir auf unser Taxi warteten, wärmten wir uns in einer kleinen Hütte eines … ja, was war er eigentlich… ich sage mal Waldarbeiter, mit dem wir beim Weg nach Oben ein kleines Fotoshooting hatten. Nachdem wir auch die Taxifahrt überlebten, kamen wir erschöpft aber zufrieden im Hotel an und die heiße Dusche war die beste Belohnung für diese Wanderung.

Auf dem Weg zum Kaspischen Meer

Samstag war auch schon wieder der letzte Tag. Um zehn checkten wir aus und fuhren nach Bandar-e Torkaman, um dort einen Blick auf’s Kaspische Meer, das eigentlich kein Meer ist sondern der größte See der Welt, zu werfen. Nach einem einstündigem Fußmarsch erreichten wir schließlich die Küste. Ob unser Fußmarsch mit dem Anblick des Sees belohnt wurde, kann ich nicht ganz sagen. Das Wetter war nicht das Beste und mit 6°C war es auch nicht gerade so warm. Doch das schreckte uns nicht ab, mit einem kleinen Boot zur einer benachbarten Insel zu düsen und diese zu erkunden. Mit seiner Einschätzung, dass es auf der Insel nur ein Restaurant gäbe und sonst nichts, hatte unser Bootskapitän vollkommen recht. Also liefen wir ein wenig rum, machten Fotos und fuhren nach einer halben Stunde aufgrund des menschlichen Bedürfnisses nach Wärme zum Festland zurück. Dort angekommen fanden wir ein nettes Restaurant, in dem wir einkehrten. Dort wurden wir von einem jungen Mann angesprochen und wir kamen in ein Gespräch. So stellte sich heraus, dass er für das iranische Team für die Olympischen Spiele 2016 im Kayak angetreten ist. Und nach schnellem googlen fand ich dann auch seinen Namen heraus:
Also wurden noch schnell ein paar Fotos geschossen und dann ging es auch schon im Minibus zurück nach Gorgan, da um 16.45 Uhr unser Bus nach Isfahan zurück fuhr.

Hinter dieser Mauer ist das Wasser! Hmm, doch nicht... Blick auf die Berge?!

Die vier Tage „Urlaub“ waren eine sehr schöne Abwechslung zu Isfahan, und ich habe die Tage sehr genossen. Auch wenn die Luft am ersten Tag nicht so gut war, da die Bauern ihre Felder abbrannten und so teilweise schlechtere Sicht als in Isfahan war, klärte der Regen des zweiten und dritten Tages die Luft auf und ich meine, die saubere Luft gespürt zu haben. Leider haben wir nicht soviel von Gorgan gesehen, was ich ein wenig schade finde, aber auf der anderen Seite bot die Stadt außer des Zentrums auch nicht viel. Man hat auch gemerkt, dass die Gegend nicht so von Touristen frequentiert ist. Auch wenn ich in unserem Hostel mit einem Belgier ein wenig Deutsch gequatscht habe, reagierten die Iraner in Gorgan und Umgebung doch teils noch offener als die Menschen in Isfahan, die Ausländer wahrscheinlich schon gewohnt sind. Die Folge unseres exotischen Auftreten war also, dass unzählige Fotos geschossen wurden, denn wann erlebte man schonmal die Zusammenstellung eines Chinesen, eines Japaners und eines Deutschen. Wer weiß was mit diesen Bildern mal passiert. Jetzt gibt es erstmal eine halbe Woche Sprachkurs, und am Wochenende ist schon der nächste Ausflug geplant.

Cheers!