Zu Gast auf einer Demonstration im Iran

07Feb2017

Hallo,

Für Freitag wurde ich zu einem Ausflug eingeladen. Nachdem zunächst von einem „Festival“ verschiedener, isfahaner Naturschutzgruppen gesprochen wurde, stellte sich jedoch heraus, dass es ein gemeinsamer Ausflug zum "Welttag der Feuchtgebiete“ war, der jährlich am 2. Februar begangen wird. Hintergrund dieses Tages ist die Ramsar-Vereinbarung (Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung) Dieses Abkommen wurde 1971 in Ramsar im Norden Irans abgeschlossen und stellt eines der ältesten Abkommen zum Klimaschutz dar. Ziel dieses Tages ist „die Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung des Wertes und der Vorzüge von Feuchtgebieten“. Über die Wasserproblematik des Irans ist ja einiges bekannt, als interessanten Einstiegsartikel möchte ich hier auf einen ZEIT Online Artikel verweisen

Martin Gehlen - "Ein Desaster von Menschenhand“ (http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-10/iran-wasserkrise-verschwendung-raubbau-klimawandel-existenzaengste/komplettansicht)

Diese Wasserproblematik betrifft natürlich auch Isfahan, wie man an dem ausgetrockneten Zayanderud erkennen kann. Die natürliche Länge des Zayanderud beträgt etwa 405km von der Quelle bis zum Mündungsgebiet in der Wüste. Doch schon weit vor Isfahan wird dem Fluss durch Stauung und Abzweigung soviel Wasser entzogen, dass er die meiste Zeit im Jahr vertrocknet ist. Davon ist auch der Gavkhuni-Sumpf betroffen, der das Mündungsgebiet des Zayanderuds darstellt. Dieser Sumpf wurde 1975 in die Liste der Ramsargebiete aufgenommen. Doch durch das versiegen des Flusses liegt auch der Sumpf die meiste Zeit im Jahr trocken. Soviel zur thematischen Einführung … Zurück zum Freitag: Ich erhielt also von einem meiner Deutschschüler die Einladung, an einem Ausflug von der ältesten Naturschutzgruppe Isfahans teilzunehmen. Damit ich mich nicht zu einsam fühle, habe ich gleich mal Samira und Moritz, zwei neue deutsche Persischlernende, die letzte Woche hier angekommen sind, eingeladen mich zu begleiten.

So ging drei junge Deutsche in einer iranischen Gruppe eher gehobenen Alters früh los. Dabei war der Beginn des Tages leider nicht so gut, da wir einen falschen Bus nahmen und ich in der Hektik mein Handy verloren habe, was jedoch gefunden wurde, in der Universität abgegeben wurde und ich mittlerweile wiederbekommen habe. Nachdem wir uns also mit der Gruppe getroffen haben ging es mit ein paar Zwischenstationen, unteranderem an einer Moschee aus dem Jahre 1134 mit einem schön gestalteten, seldschukischen Stuckmighrab und einem 34m hohen Ziegelminarett aus dem Jahre 1098.

Die Moschee in Barsian Die Kuppel der Moschee Der Stuckmighrab

Nach zwei Stunden, in denen jedem von jedem (außer den unvorbereiteten Deutschen) allerhand Süßigkeiten, Obst und Snacks angeboten wurden erreichten wir schließlich den Gavkhuni-Sumpf am Fuße des Kuh-e Siah, dem schwarzen Berg. Dieser ist ein erloschener Vulkan, was das schwarze Vulkangestein erklärt, welches rund um den Berg zu finden ist. Als unser Bus den Treffpunkt erreichte, waren bereits fünf andere Busse und allerhand Menschen vor Ort.

Der Gavkhuni-Sumpf Interessanter Fakt: Die Frauen aus Varzaneh tragen traditionell einen weißen Tschador, so wie ihr auf diesem Bild sehen könnt. Dies geht wahrscheinlich auf eine Zeit sogar vor dem Islam zurück...     

Bereits auf dem Weg dahin wurde angekündigt, dass es sich nicht nur um einen Ausflug zum Anlass des Welttages der Feuchtgebiete handelte, sondern auch eine Demonstration bzw. Kundgebung geplant war. Zu diesem Zweck da waren allerhand Umweltschutzgruppen aus Isfahan und Bewohner von Städten und Dörfern, die flussabwärts des Zayanderuds liegen. Weiterhin gab es viele private Fotografen und ein Filmteam und sogar einen Drohnenpiloten. Es wurden Banner gehalten und Aufsteller platziert. Der Prozess der Demonstration bzw. der Kundgebung selbst war jedoch ziemlich kurz. Wir Teilnehmer wurden angehalten, uns an den Händen zu halten, diese sporadisch in die Luft zu halten und auch 3, 4 Parolen wurden gerufen während die Drohne über unsere Köpfe sauste und die Fotografen umherschwirrten und Fotos von der Menschenkette machte. Ich schätze die Anzahl der Teilnehmer auf ca 150-200 Leute aller Altersgruppen. Belustigenderweise hat der Prozess die Menschenkette zu bilden länger gedauert als die Kundgebung selbst, denn diese war nach 5 Minuten schon wieder vorbei. Anschließend gab es einiges hin und her, ob man die 500m zum Sumpf läuft um dort eine weitere Kundgebung zu machen oder ob man auf dem Schwarzen Berg eine weitere Kundgebung macht. Trotz der sehr niedrigen Temperaturen wählte man den Sumpf, und so liefen wir die 500 Meter zum Wasser, das einst ein Salzsee mit einer durchschnittlichen Tiefe von einem Meter war. Jetzt allerdings war es eher eine große Pfütze, und ich hatte mit meinen knöchelhohen Wanderschuhen kein wirkliches Problem … zumindest bis zu den Bereichen in die ich gegangen bin. 

Am Wasser wurden in guter iranscher Tradition nochmal viele Bilder und Selfies geschossen. Danach ging es jedoch schnell wieder in die Busse, da die Kälte doch sehr ungemütlich war. Anschließend ging es zurück nach Varzaneh, wo wir ein sättigendes Mittagessen bekamen. Anschließend gab es noch eine Vortrag, den ließen wir jedoch ausfallen um in den mittlerweile hervorgekommenden Sonnenstrahlen bei einem leckeren, heißen Tee neue Kraft zu tanken.

In Varzaneh

Anschließend ging es mit einem Abstecher wieder zurück nach Isfahan, und die Rückfahrt wurde mit einem kleinen Wettbewerb ausgeschmückt. Gefordert war ein kurzes aber prägnantes Statement, warum der Zayanderud wichtig ist. Gewonnen haben diese beiden  Und auch hier gingen wieder regelmäßig Leute durch den Bus und boten einander Süßigkeiten, Obst und Snacks an. Und so waren die meistgesagtesten Wörter des Tages definitiv Befarmoiin (Bitte sehr) und Dast-etun dard nakoneh (Möge Ihrer Hand kein Schmerz widerfahren = danke). Und auf der Rückfahrt ging es vorbei an Feldern und man sah einige Bauern wie sie ihr Land bewässerten. Und obwohl mir diese verschwenderische Art der Bewässerung hier nicht zum ersten Mal begegnet, lasst es mir doch den Mund aufklappen. Aus riesigen Ventilen strömt kubikmeterweise Wasser auf die Felder, bis diese regelrecht überschwemmt sind. Auf meine Frage, was den in der Gegend so für landwirtschaftliche Produkte angebaut werden, wurden mir Gurken und Melonen genannt. Gerade letztere haben nicht gerade einen niedrigen Wasserbedarf. Und so realisiert man, dass es nicht nur ein politisches Problem ist, sondern auch ein mentales. So lange das Wasser aus dem Hahn schießt wenn man ihn öffnet, wird sich kaum ein Bewusstsein hin zu einem sparsameren und effizienteren Wasserverbrauch entwickeln...

An uns Deutsche wurde von den Organisatoren eine Bitte herangetragen. Unter https://www.change.org/p/zayanderood-calls-me findet ihr eine Petion, die zugunsten des Zayanderuds an die Vereinten Nationen gerichtet ist. Ich würde mich freuen, wenn ihr diese Petition unteschreiben würdet. Der Fluss und die Bewohner, die ihn zum Leben brauchen, würden euch danken.

Und was ist noch so neu?
Ich habe jetzt endlich angefangen, hier auch Vorlesungen zu besuchen. Seit fast zwei Wochen besuche ich das Literature Department  und belege dort 4 Hybride aus Vorlesung und Seminar in islamischer Geschichte. Selbstverständlich ist alles auf Persisch, doch überraschenderweise verstehe ich mehr als ich anfangs befürchtet hatte. Hybride schreibe ich, da es eine Mischung aus beidem ist, und völlig anders als in Deutschland. Der Professor wird während seinen Ausführungen nämlich meistens unterbrochen und es werden Fragen gestellt, und diese Fragen werden vom Professor mit Antworten unterbrochen und diese Antworten werden mit weiteren Fragen unterbrochen. Und wenn er dann mal nicht unterbrochen wird, dann werden auch von ihm Fragen an uns Studenten gestellt, die ich zwar meistens verstehe, aber selten fähig bin, eine Antwort zu geben. Die Athmosphäre ist übrigens ähnlich der in Deutschland. Obwohl der Islam Staatsreligion im Iran ist, ist islamische Geschichte selbst anscheinend ein Fach für Exoten, denn die Teilnehmeranzahl ist mit 5 Leuten sehr überschaubar. 😀 Ich bin auf jeden Fall gespannt auf die nächsten Sitzungen, in denen auch ich (wider meiner Hoffnungen) gefordert sein werde, unter anderem durch die Ausarbeitung eines Referates (ich denke, dass das jedoch noch eine einfachere Studienleistung sein wird).